Keine Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan – Jetzt vor Ort Verantwortung übernehmen!

Am 14. Dezember wurde die erste Sammelabschiebung aus der Bundesrepublik nach Afghanistan vollzogen – trotz 1.600 Toten und mehr als 3.500 verletzten Zivilist*innen allein im ersten Halbjahr 2016. Terroranschläge wie in Kabul (21. November, mindestens 27 Tote) oder im von der Regierung zuvor als sicher eingestuften Masar-i-Sharif (10. November, mindestens 4 Tote, 128 Verletzte, deutsches Konsulat in Trümmern) zeigen ganz klar: Afghanistan ist nicht sicher. Nach über 30 Jahren herrscht dort immer noch Krieg.

An den Abschiebungen nach Afghanistan gibt es massive Kritik aus der Zivilgesellschaft. Menschen, die aus Afghanistan geflohen sind, gehen seit Wochen gegen die Pläne auf die Straße. Zu Recht: Wenn Innenminister Thomas de Maziére in schusssicherer Weste und mit militärischem Begleitschutz in Kabul aus dem Hubschrauber steigt, dann ist das der Gipfel des Zynismus für die Betroffenen, die akut von Abschiebung dorthin bedroht sind.

Wenn eine Regierung Menschenrechte verletzen will, indem sie Schutzsuchende in Kriegsgebiete zurückschickt, dann müssen Menschen auf anderen Ebenen Verantwortung übernehmen – ganz besonders auch vor Ort in den Kommunen:

  • Wir fordern die Leitung und die Beschäftigten der Ausländerbehörde der Stadt Bochum auf: Machen Sie keine Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan möglich! Es sind die Beschäftigten der lokalen Ausländerbehörde, die den Prozess der Abschiebungen in Gang setzen. Sie entscheiden faktisch, welche Namen auf den Abschiebelisten stehen. Daher können Sie auch konkret dafür sorgen, dass kein Mensch aus unserer Stadt ins Kriegsgebiet abgeschoben wird. Sie stehen jetzt vor der Entscheidung, entweder Grundsätze der Menschenrechte zu beachten – oder sich durch die Vorbereitung, Mitarbeit und Ermöglichung der Abschiebungen auch ganz persönlich schuldig zu machen.
  • Wir fordern den Rat der Stadt Bochum auf: Sprechen Sie sich in einem Beschluss gegen Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan aus! Geben Sie den Beschäftigten der Ausländerbehörde, die sich nicht durch die Mitarbeit an den Abschiebungen schuldig machen wollen, damit politisch Rückendeckung. Machen Sie deutlich, dass Sie als politisch Verantwortliche von der Bochumer Verwaltung erwarten, dass sie Grundsätze der Menschenwürde einhält und sich nicht an Abschiebungen in Kriegsgebiete beteiligt.
  • Wir fordern Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Stadtdirektor Michael Townsend auf: Übernehmen auch Sie Verantwortung! Machen Sie als Chef der Bochumer Verwaltung und als kommunaler Flüchtlingskoordinator deutlich, dass Sie sich gegen diese menschenfeindlichen Abschiebungen stellen und machen Sie klar: Afghanistan ist nicht sicher!
  • Wir fordern die Bochumer Mitglieder der Parteien auf: Machen Sie deutlich, dass Sie von Ihren Fraktionen im Rat sowie von den lokalen Verantwortlichen in Ausländerbehörde und Verwaltungsvorstand erwarten, Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan zu verhindern. Erklären Sie unmissverständlich, dass Sie ein Wegducken derjenigen, die hier vor Ort Entscheidungen treffen, nicht akzeptieren. Setzen Sie sich darüber hinaus auf allen Ebenen, auch auf Landes- und Bundesebene, für einen Stopp der Abschiebungen ein. Machen Sie Druck, damit die erzwungenen Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung zur Aufnahme von Geflüchteten rückgängig gemacht werden.

„Wir werden nicht dabei zusehen, wie wir zurück in die Hände der Taliban abgeschoben werden. Die Kämpfe zwischen ihnen, dem afghanischen Militär und den unterschiedlichen Warlords innerhalb eines korrupten Systems bedrohen das Leben unserer Familien“, erklärt das Bündnis Afghanischer Aufschrei. Es ist nun an Ihnen als Bochumer Verantwortliche, ebenfalls nicht wegzusehen. Afghanistan ist nicht sicher – keine Abschiebungen in Kriegsgebiete!

Rede zum CDU-Bundesparteitag in Essen

Der Leitantrag der CDU zum Bundesparteitag am 07.12.2016 in Essen zeigt wie befürchtet, in welche Richtung sich die Flüchtlingspolitik unter der CDU entwickeln soll: noch restriktiver, noch menschenfeindlicher, noch mehr auf die Wünsche des rechten Randes abgestimmt.

Auf einer Kundgebung zum Parteitag haben wir uns mit folgender Rede dazu positioniert:

Liebe Freund*innen,

wir sind heute hier vor dem CDU-Parteitag, um gegen die menschenunwürdige Flüchtlingspolitik der Union zu protestieren. Es gibt unzählige Gründe heute und hier für Menschen einzustehen: Die CDU hat gestern angekündigt, mehr Menschen härter denn je abzuschieben. Sie nennen es „neue Konsequenz“ – dabei bleibt jede Abschiebung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Menschenwürde und gegenüber Menschen, die von physischer und phsychischer Gewalt ihnen und ihren Familien gegenüber bedroht sind. Dazu kommt der EU-Türkei-Deal, der EU-Afghanistan-Deal, der mögliche EU-Ägypten-Deal. Die weitere Abschottung durch Frontex. Immer weniger Menschen können ihr Recht auf Asyl in Europa und Deutschland wahrnehmen.

Und die Menschen, die es überhaupt geschafft haben, hier anzukommen und anerkannt zu werden, werden heute durch ihr Gesetz in Unsicherheit und Angst versetzt. Und das nennt sich auch noch ironisch „Integrationsgesetz“. Insbesondere gegen die sogenannte „Wohnsitzauflage“, eine Vorschrift, die das Aufenthaltsrecht geändert hat, haben geflüchtete Menschen seit August in mehreren Ruhrgebietsstädten und in der Landeshauptstadt Düsseldorf protestiert.

Der Wohnsitzzwang besagt: Wer in 2016 eine Aufenthaltserlaubniserhalten hat, der muss in dem Bundesland wohnen, in dem der Antrag gestellt wurde. Das Gesetz trat am 6. August 2016 in Kraft, galt aber rückwirkend: Menschen, die seit Januar umgezogen waren, sollten von heute auf morgen die Koffer packen und werden aus ihrem Wohnort vertrieben. Viele kamen aus ostdeutschen Bundesländern nach NRW – sie haben rassistische Gewalt mitansehen oder am eigenen Leib erfahren müssen. Plötzlich heißt es: „Geht nach zurück Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern!“ Obwohl die Menschen hier seit Monaten wohnten, sollen sie hier kein Zuhause mehr haben. Wieder von Null anfangen.

Sie haben sie sich viel aufgebaut: Wohnungen und Freund*innen gefunden, ehrenamtliche Sprachkurse besucht und sich um weitere Maßnahmen bemüht. Es gibt wenige Ausnahmen für den Wohnsitzzwang. Menschen, die vor dem 6. August umgezogen sind, können laut Gesetz einen Härtefallantrag stellen. Menschen nach dem Stichtag wird diese Möglichkeit willkürlich verwehrt. Viele Bundesländer lehnen anders als NRW den von der Bundesregierung eingeführten Zwang sogar ab, da „durch einen Rückumzug eine begonnene Integration unterbrochen würde.“

Seit dem 1. Dezember will NRW außerdem alle, die nach dem 6. August eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben,zwangsweise einen Wohnsitz innerhalb des Bundeslandes vorschreiben. Eine weitere Verschärfung, die von der Großen Koalition unter SPD und CDU erst möglich gemacht wurde.

Aber worum geht es eigentlich wirklich? Die Frage ist schnell beantwortet: Um Geld. Welche Kommunen müssen wie viel für Schutzsuchende zahlen? Statt aber den einfachen Weg zugehen und Gelder zu verteilen, werden Menschen vertrieben.

Ein Wohnortzwang ist für uns schlicht nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Recht auf Freizügigkeit gilt für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte nach Artikel 33 der EU- Qualifikationsrichtlinien. Der Europäische Gerichtshof entschied in einem Urteil vom 1. März 2016, dass eine Wohnortzuweisung aus fiskalischen Gründen weder mit EU-Qualifikationsrichtlinien noch nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist.

Wir fordern die CDU deshalb heute auf: Schaffen Sie die Wohnsitzauflage wieder ab!

Und wir fordern: Halten Sie sich an die Menschenrechtskonventionen – wenn wir uns von hilfsbedürftigen Menschen abwenden und sie ihrem Schicksal überlassen, haben wir unsere grundlegende Ethik des Miteinanders verloren. Keine Abschiebungen, keine Abschottung, keine weiteren Asylrechtsverschärfungen und menschenunwürdige Gesetze!

In diesen Zeiten, in denen rassistische Gesetze auch noch den letzten Rest des Asylrechts immer weiter einschränken ist es wichtiger denn je, offen Solidarität mit geflüchteten Menschen zu zeigen. Im letzten Jahr gab es viele Proteste von Geflüchteten im Ruhrgebiet und in Deutschland. Unsere Solidarität muss praktisch sein! Deshalb ein Aufruf an euch alle: Support your local Refugees! Unterstützt den Kampf der Geflüchteten für ein menschenwürdiges Leben!

Vielen Dank.

Bildquelle: facebook.com/antifaessen