Nächste Demonstration: Samstag, 26.11.2016, 13-16 Uhr, Düsseldorf – DGB-Haus (Friedrich-Ebert-Str. 34 / Nähe Hauptausgang Hbf)
Wir unterstützen den Aufruf von Nedaje Afghan نداى افغان – Afghanischer Aufschrei – Afghan Outcry:
Wir sind Menschen und wir haben das Recht zu leben!
Europa will 80.000 Afghan_innen zurück in den Krieg schicken! 40.000 allein aus Deutschland!
Wir und unsere im Krieg getöteten Hinterbliebenen wissen, dass wir in Afghanistan keine sicheren Gegenden antreffen werden. Es herrscht dort weiterhin Krieg und es gibt keine Infrastruktur, welche ein ziviles Leben ermöglicht! Die Taliban, das afghanische Militär und diverse Warlords bieten uns keine Sicherheit!
Bericht zur Kundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan am 22.10.2016 in Düsseldorf
Der Treffpunkt Asyl erklärt sich solidarisch mit den Protesten der geflüchteten Menschen aus Afghanistan, die um ihre Sicherheit und ihre Zukunft bangen. Im Zuge eines erneuten „Entwicklungshilfe“-Abkommens der EU mit der afghanischen Regierung, das am 04. und 05.10 in Brüssel beschlossen wurde, sollen etwa 80.000 afghanische Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben werden, davon sollen 40.000 Personen allein aus Deutschland stammen.
Am Samstag, den 22.10. sind gegen dieses Abkommen und die geplanten Abschiebungen in ganz Deutschland Menschen aus Afghanistan und Unterstützer*innen auf die Straße gegangen, unter anderem in Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg. Der Treffpunkt Asyl beteiligte sich an der Kundgebung in Düsseldorf und zeigte seine Solidarität mit den Geflüchteten, deren Aufenthalt hier in Deutschland bedroht ist. Etwa 300 Menschen kamen mit Schildern und Sprechchören zu der Kundgebung am Grabbeplatz, um die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass Afghanistan eben kein sicheres Land ist, wie die Bundesregierung so gern behauptet. „Stoppt Abschiebungen nach Afghanistan“ riefen die Beteiligten immer wieder, „Abschiebung ist Mord“.
Frauenrechte in Afghanistan
An der Demonstration nahmen auch viele Frauen und Mädchen teil, die insbesondere auf die schlechte Situation von Frauen in Afghanistan aufmerksam machen wollten. Ein etwa 12-jähriges Mädchen sprach auf der Kundgebung mit einer der Aktivistinnen des Treffpunkt Asyl und sagte „Was glaubt ihr denn, warum wir hierher gekommen sind? Wenn die Situation in Afghanistan für uns gut gewesen wäre, wären wir sicher nicht gekommen. Besonders Frauen haben dort keine Rechte. Wir können nicht zur Schule gehen und die Taliban sind überall. Ich habe dort gar nichts. Aber die Regierung in Deutschland interessiert sich nicht für uns. Was sollen wir anderes machen? Uns bleibt nur noch, auf die Straße zu gehen. Ich hoffe, das bringt etwas.“
Die Verfolgung der Volksgruppe Hazara
Unter den Protestierenden gab es auch viele Angehörige der Volksgruppe der Hazara, die von Krieg und Terror in Afghanistan besonders betroffen sind, aber auch in den Nachbarländern wie dem Iran und Pakistan massive Diskriminierung und persönliche Bedrohung erfahren. Von islamistischen Gruppen wie den Taliban werden sie verfolgt, während ihnen auch darüber hinaus soziale, politische und ökonomische Rechte und Entwicklungsmöglichkeiten verwehrt bleiben. Die afghanische Regierung hat in der Vergangenheit jedoch nichts dafür getan, die lebensbedrohliche Situation für Hazara zu ändern. Tausende Hazara wurden in den vergangenen Jahren in Afghanistan von Taliban und anderen Gruppierungen ermordet.
Darüber hinaus gab es viele junge Menschen, die an der Kundgebung teilgenommen haben. Gerade junge Männer sind in Afghanistan bisher auch Opfer von Zwangsrekrutierungen unterschiedlicher staatlicher und nichtstaatlicher Gruppierungen geworden. Angehörige der Hazara werden dabei zwischen den Fronten der regionalen Konflikte für die Interessen verschiedener Regime missbraucht und als Zwangsrekruten in den Krieg geschickt. Insbesondere die Iranische Regierung rekrutiert Hazara für den Kampf auf Seiten des Assad-Regimes, wie in der Länderdatenbank Ecoi.net dokumentiert ist. Männer, die Opfer dieser Praktiken geworden sind und nach Deutschland fliehen konnten, leiden häufig unter den Folgen solch traumatischer Erfahrungen. Sich in Deutschland aufgrund der neuen Abschiebungsandrohungen nicht in Sicherheit wissen zu können,kann dabei fatale Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben.
Afghan*innen besonders von repressivem Asylsystem betroffen
Des weiteren erfahren geflüchtete Menschen aus Afghanistan gegenüber Menschen anderer Nationalität auch durch Regelungen des Asylsystems massive Diskriminierung. Sie bekommen nicht den Zugang zu Deutschkursen und nicht das Recht, sich eigene Wohnungen zu suchen, was dazu führt,dass viele Menschen aus Afghanistan weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen in Flüchtlingslagern in Ungewissheit über ihrer Zukunft ausharren müssen. Wir vermuten auch auf Basis unserer Gespräche mit Geflüchteten aus Afghanistan, das infolge dieses menschenverachtenden Umgangs mit AfghanInnen und der vorherrschenden Ignoranz für deren Schicksale viele unter psychischen Problemen leiden, ohne Zugang zu einer entsprechenden gesundheitlichen Versorgung.
Die deutsche Regierung sieht all das neben den andauernden Anschlägen auf die Zivilbevölkerung in vielen Städten und Regionen Afghanistans jedoch nicht als gravierend genug an, um ihrer Verantwortung für den Schutz dieser Menschen nachzukommen. Sie ist immer noch der Überzeugung, Menschen könnten in andere Regionen fliehen, wenn sie in Afghanistan Probleme bekämen, obwohl die Macht von Gruppen wie den Taliban den Einfluss des Staates übertrifft und auch über Ländergrenzen hinwegreicht. Das Thema des ausbleibenden Schutzes der Afghanischen Zivilbevölkerung durch den Staat betrachtet die deutsche Regierung mit der Zusage von Entwicklungshilfegeldern aber offenbar als erledigt. Das Afghanistan inzwischen auf einige Jahrzehnte gescheiterter Einmischung anderer Staaten zurückblickt und kritisch gefragt werden muss, welche Veränderungen kurzfristig überhaupt erwartet werden können, bevor man Menschen in dieses Land zurückschickt, bleibt dabei in der Diskussion außen vor.
Keine Abschiebung nach Afghanistan!
Wir fordern, dass diese Menschen hierbleiben können und zumindest die gleichen Rechte und Möglichkeiten bekommen, sich ein neues Leben aufzubauen, wie andere Flüchtlingsgruppen auch, die nach dem fragwürdigen Maßstab von Menschen mit „guter Bleibeperspektive“ beurteilt werden. Wir verurteilen dabei generell die unangemessene Aufteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge, die Menschen aus Afghanistan benachteiligt. Wir fordern die deutsche Regierung dazu auf, die menschenverachtenden Abschiebeabkommen mit den Regierungen anderer Länder wie Afghanistan zu unterlassen und sich lieber um den Schutz derer zukümmern, die hierher nicht zum Spaß geflohen sind. Dazu bedarf es,die Schutzwürdigkeit der afghanischen Geflüchteten in Deutschland endlich anzuerkennen und die in der Vergangenheit oft fatale Politik der Einmischung in anderen Ländern kritisch zu hinterfragen.
Der Treffpunkt Asyl wird die Proteste zu diesem Thema weiterhin begleiten und unterstützen und lädt interessierte Menschen ein, sich mit diesem leider marginalisiertem Thema ebenfalls auseinanderzusetzen. Es darf nicht vergessen werden, dass Abschiebungen nach Afghanistan in der jetzigen Situation mitunter tödlich enden können. Wir können und sollten dies nicht verantworten!
Zu diesem Thema siehe auch: