In Bochum protestieren heute einige Familien, die als Flüchtlinge anerkannt worden sind, gegen die widersinnigen Auswirkungen des neuen „Integrationsgesetzes“.
Das Gesetz, das am 07.07.2016 beschlossen wurde, beinhaltet eine sogenannte „Wohnsitzauflage“ (§ 61 AufenthG). Diese Regelung wurde im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes sogar schon vor dem Europäischen Gerichtshof kontrovers diskutiert. Die Wohnsitzauflage besagt, dass die Betroffenen trotz Aufenhaltstitel ihren Wohnort innerhalb Deutschlands nicht mehr frei wählen dürfen. Vorgeschobenes Argument für diese Entscheidung war unter anderem die Verhinderung von so etwas wie „Ghettobildung“. De facto ging es aber hauptsächlich um finanzielle und organisatorische Fragen im Zusammenhang mit der Verteilung von geflüchteten Menschen im Bundesgebiet.
Der Europäische Gerichtshof hat die meisten Begründungen für eine Wohnsitzauflage – etwa finanzielle – für unzulässig erklärt. Daher schob die Bundesregierung als angebliches Ziel des Gesetzes die „Integration“ vor. Ausgeblendet wurde dabei die Frage, welche Aufgabe die hiesige Gesellschaft in Bezug auf ihre Integrationsbereitschaft hat, wenn Geflüchtete verständlicherweise lieber in tolerantere Großstädte als etwa in tendenziell fremdenfeindliche Dörfer Thüringens ziehen wollen.
Für nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannte Flüchtlinge sollte die Wohnsitzauflage eigentlich nicht umsetzbar sein. Denn die laut der Konvention Geschützten sollen mit anderen Migrant_innen gleichgestellt werden. Sie sollen Freizügigkeit genießen – das heißt, sie sollen ihren Wohnort frei wählen können.
In Bochum protestieren nun einige betroffene Menschen gegen die Wohnsitzauflage – und zwar Menschen, die ihre Anerkennung als Flüchtlinge bekommen haben, und von denen viele glücklicherweise bereits Wohnungen in Bochum gefunden haben. Da die Wohnsitzauflage rückwirkend zum 01.01.2016 gelten soll, sollen diese Menschen das hart erkämpfte und mit langem, sturem und entbehrungsreichen Warten bezahlte Leben nun wieder aufgeben. Sie sollen in Städte ziehen, denen sie zugewiesen werden, in denen sie aber nicht leben wollen. Man will sie gegen ihren Willen zwingen, die Stadt wieder zu verlassen, in der sie ein Zuhause gefunden haben, in der sie Freund_innen gefunden haben und in der ihre Kinder zur Schule gehen.
Wir vom TreffPunkt Asyl widersprechen dieser Praxis vehement und fordern mit aller Konsequenz, diesen Menschen ihren Lebensraum nicht streitig zu machen. Sie sollen in Bochum bleiben und ihr mühsam aufgebautes Leben an den Orten leben dürfen, an denen sie sein möchten. Es gibt weder einen Anlass noch eine schlüssige Begründung, Menschen durch die Wohnsitzauflage zu drangsalieren. Zu behaupten, das würde der besseren „Integration“ dienen, ist absurd. Es scheint sich um eine neue Farce der staatlichen Migrationsverwaltung zu handeln, diese Menschen mit solch widersinnigen Regelungen zu gängeln.
Auch gibt es keinen Grund, warum das Gesetz rückwirkend gelten soll. Das ist rechtlich fragwürdig und verursacht außerdem eine überaus unmenschliche Behandlung derjenigen, die sich schon längst auf den Weg der so gerne beschworenen „Integration“ gemacht haben.
Der TreffPunkt Asyl fordert:
- Alle sollen bleiben dürfen!
- Weg mit der Wohnsitzauflage!
- Bewegungsfreiheit für alle!
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die Wohnsitzauflage nur für Geflüchtete gilt, denen subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Das ist laut dem beschlossenen Gesetz nicht so. Auch Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention können unter dem Vorwand der „Integration“ mit der Wohnsitzauflage belegt werden.
Eine Antwort auf „Widersprüche des neuen „Integrationsgesetzes“ zwingen Bochumer Geflüchtete zur Desintegration“