Kundgebung: Solidarität mit den Bochumer Refugee-Protesten – Ein Leben in Würde für alle, verdammt nochmal!

Der Treffpunkt Asyl Bochum ruft für Donnerstag, den 18.02.2016 um 13:45 Uhr (direkt vor der Ratssitzung) zu einer Kundgebung am Bochumer Rathaus (Willy-Brandt-Platz) auf:

Es ist beschämend: Die Stadt Bochum hat für die Geflüchteten, die seit Anfang des Jahres in unserer Stadt immer wieder gegen ihre katastrophale Lebens- und Unterbringungssituation protestieren, nicht viel mehr als warme Worte übrig. In einem der reichsten Länder der Welt und in einer Stadt, die in den letzten Jahren zehntausende Einwohner*innen verloren hat, lassen Politik und Verwaltung trotzdem Tausende auf engstem Raum in menschenunwürdigen Verhältnissen leben – in Containern, Turnhallen und Industriezelten.

Aus vielen Gesprächen wissen wir: Die Ursachen für die unerträgliche Lebenssituation in Bochum sind vielschichtig. Nicht behandelte Traumatisierungen aufgrund von Gewalt, Verfolgung und fehlenden legalen Fluchtwegen. Die zunehmende Verschärfung des Aufenthalts- und Asylrechts, das bereits vorher diskriminierend war, trägt auch ihren Teil dazu bei. Die große Angst um Familienmitglieder und die weitere Einschränkung des Familiennachzugs sowie Ängste vor Abschiebung sorgen für Qualen, die für viele kaum vorstellbar sind. Aber: Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, bürdet Bochum den Menschen in den Turnhallen, Industriezelten und anderen Massenunterkünften zusätzlich noch ein Leben ohne Privatsphäre auf – dafür jedoch mit ständiger Unruhe und Bedrängung, fehlender Selbstbestimmung, massiver Überbelegung und mit nicht ausreichender Betreuung und psychosozialer Begleitung.

Kontroverse Diskussionen gibt es außerdem über den Plan der Verwaltung, die Unterkünfte nicht mehr selbst zu betreiben, sondern per EU-weiter Ausschreibung an externe Betreiber abzugeben. Viele befürchten weiter sinkende Standards, eine zunehmende Verantwortungsdiffusion, einen Rückzug der Stadt aus ihrer Verantwortung, einen Abbau von Transparenz und demokratischer Kontrolle sowie noch schlechtere Arbeitsbedingungen durch das Outsourcing.

Am 18. Februar treffen sich die Bochumer Verantwortlichen für die unerträgliche Unterbringungs- und Betreuungssituation im Rathaus zu einer Ratssitzung. Politik und Verwaltung beraten dort unter anderem über die Bochumer Wohnungspolitik und über neue prekäre Sammelunterbringungen für Geflüchtete. Wir nehmen das zum Anlass, um unsere Solidarität mit den protestierenden Geflüchteten und unseren Protest gegen eine städtische Politik zum Ausdruck zu bringen, die menschenunwürdige Lebensverhältnisse für Tausende zur Folge hat.

Wir fordern:

  • Keine Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Fluchtgeschichte! Was als Mindeststandard der Lebensbedingungen für schon länger hier Lebende gilt, muss für alle gelten, denn Menschenwürde ist unteilbar! Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not fliehen mussten, brauchen mehr Unterstützung, und nicht auch noch die allerschlechtesten Lebensbedingungen, die es in unserer Stadt gibt!
  • Dezentrale Unterbringung in Wohnungen möglich machen! Sofortiger Einstieg in eine andere Wohnungspolitik, die den dringend benötigten regulären Wohnraum so schnell wie möglich schafft. Das würde sowohl den Geflüchteten als auch der alteingesessenen Bochumer Bevölkerung zugute kommen. Außerdem würde es sich finanziell rechnen. Kommunaler Wohnungsbau für mehr Angebote und weniger Diskriminierung bei der Vergabe!
  • Ein Sofortprogramm für die massive Verbesserung der sozialarbeiterischen Betreuung und die therapeutische Begleitung von Geflüchteten!
  • Arbeiten, die in der Verantwortung der Stadt liegen, dürfen nicht auf Ehrenamtliche abgeschoben werden. Zugleich muss sichergestellt sein, dass Ehrenamtliche unbürokratischen Zutritt zu allen Unterkünften erhalten.

Kommt vorbei, beteiligt euch am Donnerstag, den 18. Februar ab 13:45 an der Kundgebung vor dem Bochumer Rathaus!

Einladung bei Facebook

Bei der Kundgebung sollen die Redebeiträge in verschiedene Sprachen übersetzt werden. Wenn ihr dabei helfen könnt, meldet euch bitte unter treff.asyl@riseup.net!

Eine kostengünstigere Alternative zu Containern und Leichtbauhallen

Bei der Unterbringung von Geflüchteten in Containersiedlungen, auch „Mobile Wohnanlagen“ genannt, fallen derzeit für 4 Personen ca. 19.968 Euro pro Jahr an. Hierbei sind die Erschliessungskosten für den Containerstandplatz einberechnet, jedoch nicht die laufenden Betriebskosten (Ordnerdienste, Unterkunftsverwaltung, Personal, etc.), die bei solchen Unterbringungsformen anfallen. Die von der Stadt zunächst ebenfalls für zwei Jahre angemieteten Leichtbauhallen kosten sogar deutlich mehr pro Person und Jahr. Hierbei sind die Erschließungskosten noch nicht einmal eingerechnet. Dass Leichtbauhallen günstiger als Container sind, ist also ein Gerücht, das nicht zutrifft.

Auf den Quadratmeter gerechnet, kommt man mit der Unterbringung in Containern auf Kosten von 24,20 Euro pro Monat, bei der Anmietung von Leichtbauhallen sogar auf ca. 60 Euro. Verglichen mit dem derzeitigen Bochumer Mietspiegel von 5-6 Euro ist dies eine absurd hohe Zahl, durch die keinesfalls eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet ist: Einer Person werden dort lediglich 6,6 m² (in Containern) bzw. 6,8 m² (in Leichtbauhallen) zugestanden. In dieser Quadratmeterzahl sind gemeinschaftlich genutzte Flaechen wie Eingangsbereich und Aufenthaltsbereich sowie Platz für Waschmaschinen etc bereits enthalten. Zum Vergleich: die Angemessenheitsgrenzen für Wohnungen von Hartz-IV EmpfängerInngen betragen:

–  für 1 Person bis zu 50 m²
–  für 2 Personen bis zu 65 m²
–  für 3 Personen bis zu 80 m²
–  für 4 Personen bis zu 95 m²
–  und für jede weitere Person 15 Quadratmeter mehr

Was sind geeignete Alternativen? Eine Überlegung wert wäre die Anmietung oder Kauf von bestehenden gewerblichen oder privatem Immobilienleerstand, oder auch der Neubau von Wohnungen in kommunalem Eigentum. Bei Anmietung von leerstehenden Wohnungen unter Anwendung der Angemessenheitskriterien für Hartz-IV EmpfängerInnen kommt die Stadt bei Orientierung am derzeitgen Marktpreis pro Quadratmeter ungefähr auf ein Zehntel der Kosten, die sie für den Container-oder Zelthallen-Quadratmeter bezahlt.

Ein Rechenbeispiel:  Die Unterbringung von vier Geflüchteten in Containern oder Zelthallen kostet die Stadt aktuell 1.660 Euro pro Monat, also 19.968 Euro im Jahr. Wenn sie stattdessen 4 Geflüchtete in einer selbstgebauten kommunalen 95m²-Wohnung menschenwürdig unterbringt, fallen im Vergleich zur Container/Zelthallenunterbringung dadurch Kosten in Höhe von 19.968 Euro im Jahr weg. Dafür fallen laut Betriebskostenspiegel NRW pro Quadratmeter Betriebskosten von ca. 3,35 Euro pro Monat an. (Grundsteuer, Wasser/Abwasser, Heizung, Warmwasser, Aufzug, Straßenreinigung, Müllbeseitigung,  Gebäudereinigung, Gartenpflege, allgemeiner Strom, Schornsteinreinigung, Versicherung, Hauswart, Antenne/Kabel, Sonstiges). Für 95 qm sind das im Jahr also ca. 3.819 Euro. Zieht man diese 3.810 Euro von den 19.968 Euro ab, bleiben 16.449 Euro übrig, die die Stadt pro Jahrs part, wenn sie eine vierköpfige Familie statt in einem 26-Quadratmeter-Container in einer stadteigenen 95qm-Wohnung wohnen lässt.

Der durchschnittliche Kaufpreis für Eigentumswohnungen in Bochum liegt bei 1.780 Euro pro Quadratmeter. Wenn die Stadt selbst Wohnungen baut, könnte sie den Preis pro Quadratmeter unter dieser Summe halten. Rechnen wir dennoch einfach mal mit dieser hohen Summe. Dann würde der Kauf/Bau der 95-Quadratmeter-Wohnung etwa 169.900Euro kosten. Die Instandhaltungskosten einer Wohnung betragen pro Jahr etwa 1,2 Prozent der Baukosten, also etwa 2038 Euro. Zieht man diese Summe von den 16.449 Euro ab, die die Stadt monatlich durch eine Wohnung in kommunalem Eigentum spart, bleiben 14.120 Euro übrig.

Nach wie viel Jahren hätte sich der Bau der kommunalen Wohnung alleine durch das Geld refinanziert, dass die Stadt Monat für Monat durch die nicht benötigten Container/Zelthallen einspart?

Antwort: Bereits nach zwölf Jahren hätte die Stadt nicht nur die Kosten für den Neubau der Wohnung refinanziert, sondern Menschen menschenwürdig auf 23 qm statt unmenschlichen 6qm pro Person untergebracht – und gleichzeitig hätte sie noch kommunales Eigentum an Wohnungen aufgebaut. Das wäre selbst bei sinkenden Flüchtlingszahlen höchst sinnvoll, um alle Bochumer BürgerInnen menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Bei Vermietung der Wohnung könnte die Stadt sogar zusätzliche Einnahmen generieren. Dank der Wohnungsbauförderung durch das Land NRW und dank des aktuell niedrigen Zinsniveaus könnte die Stadt auch komplett ohne die Investition von Eigenkapital bauen, ohne dass sich die Kalkulation massiv verschiebt.

Quellen:
Beschlussvorlage der Verwaltung „Unterbringung von Flüchtlingen – zeitnahe Erhöhung der Aufnahmekapazitäten“ vom 10.09.2015
Mietspiegel

Mieterverein Bochum: „Herr Eiskirch, wir müssen reden“

Im Mieterforum IV / 2015 schreibt der Mieterverein Bochum zum Amtsantritt von Thomas Eiskirch:

Mit Thomas Eiskirch hat Bochum einen neuen Oberbürgermeister, und der hat gleich in seiner Antrittsrede zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, das Thema Wohnen anders zu behandeln, als das bisher in Bochum der Fall war. „Wir werden sowohl unser Vorgehen in der Verwaltung als auch den Umgang mit Frei- und Siedlungsraum überdenken“, kündigte er an. Ein besonderes Anliegen sei ihm, den Nachholbedarf Bochums beim Wohnungsbau zu stemmen, und zwar sowohl im günstigen Preissegment als auch bei hochwertigen Angeboten.

Im neuesten Wohnungsmarktbericht gibt die Stadt Bochum eine Leerstandsquote von 4,8% an. Demnach stehen in Bochum viel mehr Wohnungen leer als gedacht – was allerdings nicht an einer Trendwende, sondern einer veränderten Zählmethode liegt. Dennoch sollte man bei diesen Zahlen annehmen können, dass die Unterbringung von derzeit 3500 Geflüchteten die Stadt vor kein unlösbares Problem stellt. Ein wichtiges Mittel, um die leerstehenden Wohnungen tatsächlich an den Wohnungsmarkt zu bringen und damit mittelbar auch der Stadt zur Verfügung zu stellen, wäre eine Zweckentfremdungssatzung. Dazu schreibt der Mieterverein:

Um diese [leerstehenden Wohnungen] zu aktivieren, wäre eine Zweckentfremdungssatzung hilfreich. So eine Satzung stellte jede andere Verwendung von Wohnraum als zu Wohnzwecken unter ausdrücklichen Genehmigungsvorbehalt der Stadt. Dazu gehört Abriss, Umnutzung als Gewerbe und auch Leerstand. Ein Vermieter, der seine leere Wohnung regelmäßig inseriert, auch keinen unangemessenen Preis fordert, wird duch so eine Satzung nicht in Schwierigkeiten geraten. Doch wer seine Wohnung aus Bequemlichkeit dem Markt entzieht, oder wer völlig realistätsferne Vorstellungen über erzielbare Preise hat, dem droht ein Bußgeld.

Die Städte in NRW dürfen sich so eine Satzung selber geben – das hat die Landesregierung 2012 beschlossen. Bisher haben allerdings nur Bonn, Köln, Münster und Dortmund davon Gebrauch gemacht. Denn der Gesetzgeber hat die Ermächtigung der Kommunen, sich so eine Satzung zu geben, an einen engen Wohnungsmarkt gekoppelt. Davon kann in Bochum zumindest pauschal wohl nicht die Rede sein.

Der Mieterverein ist trotzdem der Meinung, dass Bochum eine Zweckentfremdungssatzung braucht. Gerade wenn es genug leere Wohnungen gibt, ist nicht einzusehen, warum Zugewanderte in Zelten, Turnhallen oder leeren Baumärkten unterkommen müssen. Das ist eines der Dinge, über die wir mit dem neuen Oberbürgermeister reden wollen – und wir freuen uns über seine bereits bekundete – Gesprächsbereitschaft.

Bochum braucht mehr bezahlbaren Wohnraum

– ein Weihnachtsgeschenk für alle Menschen in Bochum –

Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Unterbringungs- und Wohnungsmarktpolitik der vergangenen Jahre war fehlgeleitet“ so Jens Niering, Leiter des neu eingerichteten Referats für Zukunftsentwicklung der Stadt Bochum.

Mit dem Referat für Zukunftsentwicklung findet die Stadt Bochum Antworten auf die desolate Lage in vielen Bereichen der öffentlichen Versorgung. Präsentiert wird zunächst ein Drei-Punkte-Plan zur Unterbringung von bedürftigen Personen: 

  1. Keine Unterbringung mehr in Turnhallen, Containern oder Leichtbauhallen. 

  2. Erfassung und Nutzung aller privaten sowie geeigneter gewerblicher Leerstände zur Unterbringung von Personen ohne geeigneten Wohnraum. 

  3. Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch die Einrichtung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. 

Die improvisierte Unterbringung von Nachbarinnen und Nachbarn in Turnhallen, Containern und Leichtbauhallen hat sich als fataler Fehler erwiesen. Diese Unterbringungsformen stellen eine unverhältnismäßige Belastung für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie für den kommunalen Haushalt dar.

Ab sofort werden dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten angestrebt. Zu diesem Zweck wird auf Verwaltungsebene eine Stelle zur Leerstandskoordination geschaffen, an die sich Vermieter von geeignetem Wohnraum sowie Wohngemeinschaften mit freien Kapazitäten wenden können.

Darüber hinaus können ab sofort auch geeignete gewerbliche Immobilien zur Unterbringung von Menschen ohne Wohnraum umgenutzt werden. Das Verfahren wird deutlich vereinfacht. Entsprechende Angebote werden entgegengenommen unter: 

Email: wohnungen-fuer-fluechtlinge@bochum.de – Telefon: 0234 / 910-33 03

In Anbetracht des umfangreichen Wohnungsleerstandes (9400 Wohnungen in Bochum) steht auf der Tagesordnung der ersten Ratssitzung im Neuen Jahr die Verabschiedung einer Zweckentfremdungssatzung, die die kurzfristige Rückführung leerstehender Immobilien an den Wohnungsmarkt sicherstellt. Und zu guter Letzt gründet die Stadt Bochum im ersten Quartal 2016 eine eigene kommunale Wohnungsbaugesellschaft zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums.

Pünktlich zum Weihnachtsfest liegt damit eine Strategie vor, die den eklatanten Missständen in der Bochumer Unterbringungspolitik mit entschiedenen Maßnahmen begegnet. Wir freuen uns auf nachhaltige Verbesserungen für alle Bochumerinnen und Bochumer.

Über die Entwicklungen halten wir Sie auf dem Laufenden unter:

www.bochum-schafft-das.de

Ein gesegnetes Fest und ein gutes neues Jahr wünscht Ihnen: 

Ihr Referat für Zukunftsentwicklung