Die Stadt Bochum hat am Donnerstag, den 20. Oktober, in einer Pressemitteilung erklärt: Betroffene des „Integrationsgesetzes“ müssen einen Härtefallantrag stellen, um in Bochum bleiben zu können. Das soll ausdrücklich auch für anerkannte Flüchtlinge gelten, die vor Inkrafttreten des umstrittenen Integrationsgesetzes nach Bochum gezogen sind. Damit will sich die Stadt Bochum über einen Ratsbeschluss hinwegsetzen, in dem der Bochumer Rat eine rückwirkende Anwendung der Wohnsitzauflage abgelehnt hat. Die Initiative Treffpunkt Asyl kritisiert diese Vorgehensweise und fordert die Verantwortlichen auf, zu ihrem Wort zu stehen.
Im August und September protestierten in Bochum Geflüchtete unter anderem mit einem Protestcamp vor dem Rathaus, um sich gegen die Wohnsitzauflage und das Integrationsgesetz zu wehren. Sie protestierten für ihr Recht, in Bochum bleiben zu dürfen. Viele von ihnen waren seit Jahresanfang vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 06.08.2016 nach Bochum gezogen. Obwohl sie in Übereinstimmung mit allen geltenden Regelungen und Gesetzen umgezogen sind, waren sie plötzlich von einer erneuten Vertreibung bedroht. Die Gründe für ihren Umzug sind vielfältig: Weil hier Familienangehörige und Freunde leben, weil sie hier bessere Berufs- und Ausbildungschancen haben, weil sie in anderen Bundesländern rassistische Übergriffe erlebten.
Was ist ein Ratsbeschluss in Bochum wert?
Nachdem sich außerdem 20 Bochumer Organisationen in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch gewandt hatten, verabschiedete der Rat der Stadt Bochum am 15. September einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel „Wohnsitzauflage nicht rückwirkend anwenden“. Teil des Beschlusses war, dass der Rat der Stadt Bochum eine „rückwirkende Wohnsitzauflage“ ablehnt.
Die nun veröffentliche Mitteilung der Stadt widerspricht dem Ratsbeschluss. Denn nur, wenn die Wohnsitzauflage rückwirkend angewendet wird, gibt es für die Betroffenen ja überhaupt erst einen Grund, um mit Hilfe von Härtefallanträgen gegen die sonst drohende Vertreibung vorzugehen. Entgegen der politischen Zusage soll die Entscheidung jetzt also auch für die Menschen individualisiert werden, die vor Inkrafttreten des Gesetzes nach Bochum gekommen sind.
„Wir vertrauen in die Stadt, dass sie ihre Zusagen einhält“, hatten die Protestierenden in ihrer Stellungnahme zum Abbau des Protestcamps im September geschrieben. Dieses Vertrauen dürfte die Stadt mit ihrem Handeln jetzt erneut zerstören.
Viele offene Fragen
„Wir fragen uns, warum die Koalition aus SPD und Grünen diesen Dringlichkeitsantrag überhaupt eingebracht hat, wenn nun doch alle Betroffenen Härtefallanträge stellen sollen“, sagt Hans Christoph Hudde von der Initiative Treffpunkt Asyl. „Sollten durch den Antrag lediglich weitere Proteste von Geflüchteten in Bochum verhindert werden? Kommt der neue Vorstoß jetzt allein aus der Stadtverwaltung, oder geschieht das auch mit Rückendeckung von SPD und Grünen? Egal wie, die Verantwortlichen müssen zu ihrem Wort stehen und dürfen die Wohnsitzauflage nicht rückwirkend anwenden. Hier müssen die Stadt und die sie tragenden Fraktionen einmal Rückgrad zeigen und dürfen auch den Konflikt mit Bund und Land nicht scheuen.“
Freizügigkeit ist ein hohes Gut des Grundgesetzes, auch der Europäische Gerichtshof und die Genfer Flüchtlingskonvention postulieren dieses Recht für alle Geflüchteten. Die Initiative Treffpunkt Asyl fordert insgesamt, dass alle Geflüchteten, die sich in Bochum ein neues Zuhause aufbauen, nicht erneut vertrieben werden. Dazu zählt, dass ihnen existenzsichernde Leistungen nicht verwehrt werden. Auch wenden wir uns gegen jegliche Zuzugssperre. Das Land und die Bundesregierung fordern wir auf, das sogenannte „Integrationsgesetz“ grundlegend zu überdenken und unter Einbeziehung der Expertise von Betroffenen, Verbänden und Ehrenamtlichen dem Integrationswunsch entsprechend zugestalten.
Auf die Implementierung der Wohnsitzauflage sollte dabei generell verzichtet werden. Wir sehen nicht, dass die Wohnsitzauflage in irgendeiner Form zur Verbesserung der Integration geflüchteter Menschen beitragen könnte. Das neue Gesetz, das ja mit dem Ziel geschaffen wurde, die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund zu verbessern, erfüllt in dieser Form nicht seinen Zweck, da es bereits erfolgte „Integrationsleistungen“ zunichte macht. Die Wohnsitzauflage ist aus unserer Sicht vielmehr kontraproduktiv für ein friedliches, selbstbestimmtes und von sozialer Unterstützung geprägtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Herkunft.