Am 16.05.2017 wurde der in Deutschland geborene 22-jährige Musiker und Aktivist Selami Prizreni vom Flughafen Düsseldorf mit einem Sammelabschiebeflug in den Kosovo abgeschoben. Selami Prizreni lebte in Essen in der (von der Stadt Essen finanziell unterstützten) Musiker-WG der Gruppe „Roma Art Action“, ist Rapper in der Band KAGE und war im Film „Trapped by Law„, der die Abschiebung von ihm und seinen Brüdern im Jahr 2010 dokumentiert, einer der Hauptdasteller. (Hier ein Bericht der WAZ über die Filmpremiere in 2016.)
Selami ist Teil einer Gruppe, die sich auch gegen Diskriminierung, Abschiebungen und Antiziganismus einsetzt. An diesem Wochenende hätte Selami beim NSU-Tribunal in Köln auftreten sollen (Video und Stellungsnahme der Veranstalter). Doch stattdessen ist er von der Polizei aus seiner Wohnung gezerrt und abgeschoben worden.
Mit wieviel Fingerspitzengefühl die Behörden dabei vorgehen, lässt sich selbst noch am Datum der Abschiebung ablesen: der 14.05.2017 ist der Jahrestag des des Aufstandes der Roma im KZ Auschwitz Birkenau. Das interessierte die Behörden jedoch offensichtlich genausowenig wie die Tatsache, dass Selami plante, in Kürze seine schwangere deutsche Verlobte zu heiraten, oder dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und seine Familie seit 30 Jahren in Deutschland lebt.
Eine Petition mit bisher mehr als 2000 Unterschriften fordert nun, Selami nach Deutschland zurückzuholen. Es ist ein Unding, dass solch eine Petition überhaupt notwendig ist.
Selamis Bruder Kefaet hat eine Stellungnahme geschrieben, in der er das Vorgehen der Polizei dokumentiert:
Stellungnahme über die Unrechtmäßige Abschiebung von Menschenrechts-Aktivist und Musiker Selami Prizreni
Am 16.05.2017 wurde in Essen eine Abschiebung vollzogen. Nach Stellungnahmen der betroffen Bewohner, die gemeinsam eine Musiker-WG führen mit dem Abgeschobenen Selami P., ist eine Mannschaft an Polizisten aufgetaucht. Gegen 5 Uhr morgens haben sie Sturm geschellt und standen schon auf der vierten Etage vor der Glastür des Penthouses. Kefaet P. aka K-Flow, Bandmitglied aus der Rap-Kombo KAGE und Bruder des Betroffenen Selami P., stand nach der Sturmschelle vor der Tür und wurde lautstark dazu aufgefordert, die Tür aufzumachen, bevor sie aufgebrochen wird. Kefaet fragte mehrmals vergeblich nach dem Grund des Aufgebots, doch er wurde ignoriert und aufgefordert, die Tür zu öffnen. Nachdem die Beamten sich dazu entschlossen hatten, die Tür aufzubrechen, hat Kefaet dann aufgemacht Er wurde sofort gegen die Wand gedrückt und durfte sich nicht bewegen. Sie drängten gewaltsam in die Wohnung, zogen Yousouf A. mit vorgehaltener Waffe aus dem Bett in den Flur und verwüsteten sein Zimmer. Zugleich haben sich andere Beamte in die anderen Zimmer verteilt. Sie haben Mitbewohner Abil M. nicht aus dem Bett steigen lassen und hielten ihm Taschenlampe und Waffe vors Gesicht. Selami wurde von mehreren Beamten überwältigt, auch mit vorgehaltener Waffe auf den Boden gezerrt, um ihm dann Handschellen anzulegen.
Selami wurde abgeführt und die Beamten haben beim Verwüsten der Zimmer nix ausgelassen, gingen mehrmals in alle 7 Zimmer und haben sogar die Sofas, die beim Vorabend auf der Terrasse platziert worden sind, auf den Kopf gestellt. Im Verlauf des Tages wurden alle Register gezogen vom gesamten „Roma-Art-Action“-Team, aber das schlimmste konnte man nicht abwenden und zwar, dass der Flieger von Düsseldorf Flughafen mit Selami P. aka Gipsy in den Kosovo fliegt.
Da die Abschiebung nicht rechtens war und der Staat in Folge wieder gezeigt hat, wie erbarmungslos Institutionen sind, und dass sie trotz Selami’s schwangerer Verlobten und Eheabsichten einfach die Abschiebung veranlassen, obwohl es andere Absprachen gab mit den hiesigen Behörden aus Essen und da die Abschiebung von Selami schon mal nicht zulässig war im Jahre 2010, (siehe den Film „Trapped by Law“, in dem das dokumentiert wird ) und seine Wiedereinreise im Dezember 2014 in die BRD als „illegal“ angesehen wird,
FORDERN WIR DIE SOFORTIGE RÜCKKEHR VON SELAMI PRIZRENI UND DIE ERTEILUNG EINES AUFENTHALTS!!!
Kefaet Prizreni
Weitere Stellungnahmen gibt es z.B. von „alle bleiben“ und vom Bundesromaverband. Auch in den Medien erregte die Abschiebung großes Interesse, etwa in der WAZ und taz.
Selamis Abschiebung reiht sich nicht nur in eine lange Geschichte der Diskriminierung von Roma in Europa und endlosen Kettenduldungen ein, sondern kann auch als Exempel in der aktuellen Abschiebepolitik gesehen werden. Denn warum wurde ausgerechnet Selami abgeschoben? Die folgenden Begründungen drängen sich auf:
- Scheiß egal, was du machst und wer du bist, deine Bekanntheit wird dich nicht schützen. Wir, der Staat, schieben jeden ab, wenn wir Bock drauf haben. Seht, ihr bescheuerten Antirassisten, Aktivisten, „Gutmenschen“ und Migranten, ihr könnt alle gar nix machen. Macht nur euer blödes NSU-Tribunal, eure Filme, eure Musik und eure Demos, am Ende sind wir doch die Stärkeren.
- Wenn ihr Flüchtlinge und Migranten interessante Projekte macht, schmücken wir aus den Regierungen uns gern damit, um zu zeigen, wie gut wir beim Thema „Integration“ sind. Denkt aber nicht, dass wir helfen, wenn ihr Probleme bekommt. Was die Ausländerbehörde macht, ist nicht unsere Angelegenheit und wenn jemand halt nicht den richtigen Pass hat, ist das wohl Pech, sorry, da können wir leider nichts machen. Aber danke für die Musik und so…
- Wenn du Roma bist, ist es scheiß egal, was du machst. Du bist und bleibst ein „Krimineller“, den die Gesellschaft nicht braucht. Einmal „Zigeuner“, immer „Zigeuner“! Wir von der Ausländerbehörde haben die Ereignisse der Geschichte schon genau im Blick: Der 75. Jahrestag des Aufstands der Roma im KZ Auschwitz-Birkenau ist doch ein perfekter Tag für einen Abschiebeflug. Er ist perfekt, um zu zeigen, was Leuten wie Selami passiert, die versuchen, gegen Antiziganismus und Diskriminierung Widerstand zu leisten, oder nicht?
Das werden wir nicht auf uns sitzen lassen! Wir fordern die sofortige Rücknahme der Abschiebung und ein dauerhaftes Bleiberecht für Selami und alle anderen Roma! Schluss mit Diskriminierung, Abschiebungen und Kettenduldungen!
Teilt die Nachricht, unterzeichnet die Petition!