Keine Abschiebungen in Kälte, Obdachlosigkeit und Elend im WinterDer Bochumer Initiativkreis Flüchtlingsarbeit appelliert an die Bochumer Ausländerbehörde, Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die Bochumer Politik, Flüchtlinge nicht in Kälte, Obdachlosigkeit und Elend abzuschieben.In früheren Jahren sorgte ein Erlass des Landes für eine Aussetzung von Abschiebungen während der kalten Monate. Jetzt haben die örtlichen Ausländerbehörden die Möglichkeit und die Pflicht, bei Entscheidungen über Abschiebungen die Witterungsbedingungen einzubeziehen.Die Balkanstaaten melden Temperaturen von bis zu 27 Grad Minus. Abgeschobene Flüchtlinge verfügen oftmals nicht über die finanziellen Mittel zum Erwerb von Nahrung, Feuerholz oder Kohlen. Nicht selten fehlt ihnen gar das Dach über dem Kopf, oder es müsste langwierig winterfest gemacht werden.Der Initiativkreis fordert deshalb die Verantwortlichen auf, das Leben der Menschen zu schützen und Abschiebungen in kalte Zielgebiete bis Ostern auszusetzen.
Petition/Briefaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan
Der Fall von Herrn Sabur Frotan, der bei der ersten Sammelabschiebung nach Afghanistan 14.12.16 schon fast im Flieger saß und nur durch den unermüdlichen Einsatz seiner Anwältin einen Aufschub bis zum 26.1.17 erhalten hat, steht exemplarisch für die Unmenschlichkeit und Unsinnigkeit von Abschiebungen gut integrierter Menschen.
Der Helferkreis HTS aus München berichtet dazu:
Sabur Frotan ist seit 5 Jahren in Deutschland, völlig integriert, spricht sehr gut Deutsch, arbeitet, zahlt Steuern, hat keine Probleme mit der Polizei und sich auch sonst nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er hat sich an seinem derzeitigen Arbeitsplatz als ungelernte Arbeitskraft so bewährt, dass man ihm einen Ausbildungsplatz angeboten hat. Durch die Abschiebungsbemühungen der Ausländerbehörde wurde die Umsetzung vorläufig verhindert.
Er sitzt nun wieder – seit Mitte Oktober – in Abschiebehaft. Was das mit Menschen macht, muss ich Ihnen wahrscheinlich nicht beschreiben. Daher möchte ich Sie alle als Ehrenamtliche aufrufen, sich baldmöglichst an den Petitionen etc. zu beteiligen und Ihre Stimme zu erheben. Alleine werden wir oft nicht gehört, aber gemeinsam sind wir stark.
In all diesen Aktionen können Sie sowohl allgemein gegen Abschiebungen nach Afghanistan protestieren oder speziell gegen die Abschiebung von Sabur.
Über Sabur Frotan berichtet u.a. die Süddeutsche Zeitung in mehreren Artikeln:
- 14.12.2016: Bundesverfassungsgericht stoppt Abschiebung eines Asylbewerbers
- 07.11.2016: Dieser Flüchtling ist integriert, aber unerwünscht
Ähnliche Fälle sind nicht selten; so berichtet etwa die Münchener Abendzeitung über den „Vorzeige-Flüchtling“ Saleh Zazai:
Saleh Zazai ist ein Vorzeige-Flüchtling, ein leuchtendes Beispiel für gelungene Integration: Der 31-Jährige hat einen Arbeitsplatz, eine eigene Wohnung und sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Er ist beliebt bei Vorgesetzten und Kollegen, spielt Volleyball im Verein – und soll trotz allem abgeschoben werden. Denn Saleh Zazai ist Afghane.
Aber Abschiebungen nach Afghanistan sind nicht nur bei gut integrierten Flüchtlingen ein Problem: 1.600 Toten und mehr als 3.500 verletzte Zivilist*innen allein im ersten Halbjahr 2016; Terroranschläge wie in Kabul oder im von der Regierung zuvor als sicher eingestuften Masar-i-Sharif zeigen ganz klar: Afghanistan ist nicht sicher.
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und Amnesty International lassen keinen Zweifel daran, dass Abschiebungen in Krisengebiete wie Afghanistan gegen das Völkerrecht verstoßen.
In einem Artikel auf tagesschau.de („Afghanistan: Keine Sicherheit, nirgends“) liest man dazu:
Tausende afghanische Flüchtlinge will die Bundesregierung in ihr Heimatland zurückschicken – es gebe dort genug sichere Regionen. Monitor-Reporter waren in einer der angeblich sichersten Regionen unterwegs. Sie haben einen ganz anderen Eindruck gewonnen.
Um in den angeblich sichersten Teil Afghanistans zu fahren, benötigt man vor allem zweierlei: eine Schutzweste Stufe IV (ballistisch). Und eine Begleitmannschaft, deren Kampfgeist durch den Respekt vor Gesetzen nicht gehemmt wird.
Wir unterstützen daher den Aufruf des Münchener Helferkreises, sich per Brief oder Petition am Protest zu beteiligen:
- Online-Petition an den jeweiligen Landtag einreichen, z.b. hier für Nordrhein-Westfalen
- Bestehende Online-Petitionen mitzeichnen, z.b.
- https://www.proasyl.de/thema/unsicheres-afghanistan/#topic-content
- https://www.change.org/p/bundeskanzlerin-angela-merkel-keine-abschiebungen-nach-afghanistan
- https://weact.campact.de/petitions/hamburg-keine-abschiebung-nach-afghanistan/
- https://secure.avaaz.org/de/petition/Minister_Joachim_Hermann_Bleiberecht_fuer_Pouya/
- Briefe direkt an Mitglieder des Bundestags oder an Vertreter Ihres Wahlkreises senden
Einen vom Helferkreis München entworfener Beispielbrief finden Sie hier.
20.01.2017: Moment des Kennenlernens in der Christuskirche mit Theaterstück ‚Alles im Wunderland‘ und United Voices Chor
Einladung zu Theater, Musik und Informationen am Freitag, dem 20. Januar von 18:30-21:30 Uhr in der Christuskirche Bochum. Der Eintritt ist frei.
United Voices und der Initiativkreis Flüchtlingsarbeit laden zu einem Abend der Begegnung und des Kennenlernens in die Christuskirche ein. Hauptakt ist das anrührende Theaterstück `Alles im Wunderland´, in dem sich 20 geflüchtete Menschen auf ihren Weg machen. Sie begegnen sich im Wunderland suchen und entdecken die eigene Identität und Träume. Ein Stück vom Entdecken, Finden, Suchen nach Etwas und Allem im Wunderland. Dazu gibt es Musikdarbietungen vom United Voices Chor, der Bochumer Gruppe Yakamos, verschiedenen Einzelmusikern, sowie Wortbeiträgen von Treffpunkt Asyl und Refugee Strike Bochum. Diverse Organisationen der Flüchtlingsarbeit — u.a. Netzwerk Wohlfahrtstraße, Ronahi e.V., Amnesty International und das bundesweit hochgelobte Magazin here: Von Geflüchteten für Geflüchtete — bieten Infotische und kulinarische Spezialitäten an.
Das Stück, das 20 Flüchtlinge – unter ihnen Syrer und Eritreer – aus eigenen Erfahrungen heraus entwickelt haben, arbeitet mit der Illusion vom „Wunderland“, dem Ankommen hier, der Enttäuschung und dem Moment, der darin besteht, sich selber wieder zu finden. In und um das Stück herum sind Auftritte des United Voices Chors montiert, der sich aus dem Jungen Schauspielhaus Bochum heraus zu einer nicht nur mehrsprachigen, sondern vielstimmigen Formation entwickelt hat.
Keine Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan – Jetzt vor Ort Verantwortung übernehmen!
Am 14. Dezember wurde die erste Sammelabschiebung aus der Bundesrepublik nach Afghanistan vollzogen – trotz 1.600 Toten und mehr als 3.500 verletzten Zivilist*innen allein im ersten Halbjahr 2016. Terroranschläge wie in Kabul (21. November, mindestens 27 Tote) oder im von der Regierung zuvor als sicher eingestuften Masar-i-Sharif (10. November, mindestens 4 Tote, 128 Verletzte, deutsches Konsulat in Trümmern) zeigen ganz klar: Afghanistan ist nicht sicher. Nach über 30 Jahren herrscht dort immer noch Krieg.
An den Abschiebungen nach Afghanistan gibt es massive Kritik aus der Zivilgesellschaft. Menschen, die aus Afghanistan geflohen sind, gehen seit Wochen gegen die Pläne auf die Straße. Zu Recht: Wenn Innenminister Thomas de Maziére in schusssicherer Weste und mit militärischem Begleitschutz in Kabul aus dem Hubschrauber steigt, dann ist das der Gipfel des Zynismus für die Betroffenen, die akut von Abschiebung dorthin bedroht sind.
Wenn eine Regierung Menschenrechte verletzen will, indem sie Schutzsuchende in Kriegsgebiete zurückschickt, dann müssen Menschen auf anderen Ebenen Verantwortung übernehmen – ganz besonders auch vor Ort in den Kommunen:
- Wir fordern die Leitung und die Beschäftigten der Ausländerbehörde der Stadt Bochum auf: Machen Sie keine Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan möglich! Es sind die Beschäftigten der lokalen Ausländerbehörde, die den Prozess der Abschiebungen in Gang setzen. Sie entscheiden faktisch, welche Namen auf den Abschiebelisten stehen. Daher können Sie auch konkret dafür sorgen, dass kein Mensch aus unserer Stadt ins Kriegsgebiet abgeschoben wird. Sie stehen jetzt vor der Entscheidung, entweder Grundsätze der Menschenrechte zu beachten – oder sich durch die Vorbereitung, Mitarbeit und Ermöglichung der Abschiebungen auch ganz persönlich schuldig zu machen.
- Wir fordern den Rat der Stadt Bochum auf: Sprechen Sie sich in einem Beschluss gegen Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan aus! Geben Sie den Beschäftigten der Ausländerbehörde, die sich nicht durch die Mitarbeit an den Abschiebungen schuldig machen wollen, damit politisch Rückendeckung. Machen Sie deutlich, dass Sie als politisch Verantwortliche von der Bochumer Verwaltung erwarten, dass sie Grundsätze der Menschenwürde einhält und sich nicht an Abschiebungen in Kriegsgebiete beteiligt.
- Wir fordern Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Stadtdirektor Michael Townsend auf: Übernehmen auch Sie Verantwortung! Machen Sie als Chef der Bochumer Verwaltung und als kommunaler Flüchtlingskoordinator deutlich, dass Sie sich gegen diese menschenfeindlichen Abschiebungen stellen und machen Sie klar: Afghanistan ist nicht sicher!
- Wir fordern die Bochumer Mitglieder der Parteien auf: Machen Sie deutlich, dass Sie von Ihren Fraktionen im Rat sowie von den lokalen Verantwortlichen in Ausländerbehörde und Verwaltungsvorstand erwarten, Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan zu verhindern. Erklären Sie unmissverständlich, dass Sie ein Wegducken derjenigen, die hier vor Ort Entscheidungen treffen, nicht akzeptieren. Setzen Sie sich darüber hinaus auf allen Ebenen, auch auf Landes- und Bundesebene, für einen Stopp der Abschiebungen ein. Machen Sie Druck, damit die erzwungenen Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung zur Aufnahme von Geflüchteten rückgängig gemacht werden.
„Wir werden nicht dabei zusehen, wie wir zurück in die Hände der Taliban abgeschoben werden. Die Kämpfe zwischen ihnen, dem afghanischen Militär und den unterschiedlichen Warlords innerhalb eines korrupten Systems bedrohen das Leben unserer Familien“, erklärt das Bündnis Afghanischer Aufschrei. Es ist nun an Ihnen als Bochumer Verantwortliche, ebenfalls nicht wegzusehen. Afghanistan ist nicht sicher – keine Abschiebungen in Kriegsgebiete!
Rede zum CDU-Bundesparteitag in Essen
Der Leitantrag der CDU zum Bundesparteitag am 07.12.2016 in Essen zeigt wie befürchtet, in welche Richtung sich die Flüchtlingspolitik unter der CDU entwickeln soll: noch restriktiver, noch menschenfeindlicher, noch mehr auf die Wünsche des rechten Randes abgestimmt.
Auf einer Kundgebung zum Parteitag haben wir uns mit folgender Rede dazu positioniert:
Liebe Freund*innen,
wir sind heute hier vor dem CDU-Parteitag, um gegen die menschenunwürdige Flüchtlingspolitik der Union zu protestieren. Es gibt unzählige Gründe heute und hier für Menschen einzustehen: Die CDU hat gestern angekündigt, mehr Menschen härter denn je abzuschieben. Sie nennen es „neue Konsequenz“ – dabei bleibt jede Abschiebung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Menschenwürde und gegenüber Menschen, die von physischer und phsychischer Gewalt ihnen und ihren Familien gegenüber bedroht sind. Dazu kommt der EU-Türkei-Deal, der EU-Afghanistan-Deal, der mögliche EU-Ägypten-Deal. Die weitere Abschottung durch Frontex. Immer weniger Menschen können ihr Recht auf Asyl in Europa und Deutschland wahrnehmen.
Und die Menschen, die es überhaupt geschafft haben, hier anzukommen und anerkannt zu werden, werden heute durch ihr Gesetz in Unsicherheit und Angst versetzt. Und das nennt sich auch noch ironisch „Integrationsgesetz“. Insbesondere gegen die sogenannte „Wohnsitzauflage“, eine Vorschrift, die das Aufenthaltsrecht geändert hat, haben geflüchtete Menschen seit August in mehreren Ruhrgebietsstädten und in der Landeshauptstadt Düsseldorf protestiert.
Der Wohnsitzzwang besagt: Wer in 2016 eine Aufenthaltserlaubniserhalten hat, der muss in dem Bundesland wohnen, in dem der Antrag gestellt wurde. Das Gesetz trat am 6. August 2016 in Kraft, galt aber rückwirkend: Menschen, die seit Januar umgezogen waren, sollten von heute auf morgen die Koffer packen und werden aus ihrem Wohnort vertrieben. Viele kamen aus ostdeutschen Bundesländern nach NRW – sie haben rassistische Gewalt mitansehen oder am eigenen Leib erfahren müssen. Plötzlich heißt es: „Geht nach zurück Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern!“ Obwohl die Menschen hier seit Monaten wohnten, sollen sie hier kein Zuhause mehr haben. Wieder von Null anfangen.
Sie haben sie sich viel aufgebaut: Wohnungen und Freund*innen gefunden, ehrenamtliche Sprachkurse besucht und sich um weitere Maßnahmen bemüht. Es gibt wenige Ausnahmen für den Wohnsitzzwang. Menschen, die vor dem 6. August umgezogen sind, können laut Gesetz einen Härtefallantrag stellen. Menschen nach dem Stichtag wird diese Möglichkeit willkürlich verwehrt. Viele Bundesländer lehnen anders als NRW den von der Bundesregierung eingeführten Zwang sogar ab, da „durch einen Rückumzug eine begonnene Integration unterbrochen würde.“
Seit dem 1. Dezember will NRW außerdem alle, die nach dem 6. August eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben,zwangsweise einen Wohnsitz innerhalb des Bundeslandes vorschreiben. Eine weitere Verschärfung, die von der Großen Koalition unter SPD und CDU erst möglich gemacht wurde.
Aber worum geht es eigentlich wirklich? Die Frage ist schnell beantwortet: Um Geld. Welche Kommunen müssen wie viel für Schutzsuchende zahlen? Statt aber den einfachen Weg zugehen und Gelder zu verteilen, werden Menschen vertrieben.
Ein Wohnortzwang ist für uns schlicht nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Das Recht auf Freizügigkeit gilt für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte nach Artikel 33 der EU- Qualifikationsrichtlinien. Der Europäische Gerichtshof entschied in einem Urteil vom 1. März 2016, dass eine Wohnortzuweisung aus fiskalischen Gründen weder mit EU-Qualifikationsrichtlinien noch nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist.
Wir fordern die CDU deshalb heute auf: Schaffen Sie die Wohnsitzauflage wieder ab!
Und wir fordern: Halten Sie sich an die Menschenrechtskonventionen – wenn wir uns von hilfsbedürftigen Menschen abwenden und sie ihrem Schicksal überlassen, haben wir unsere grundlegende Ethik des Miteinanders verloren. Keine Abschiebungen, keine Abschottung, keine weiteren Asylrechtsverschärfungen und menschenunwürdige Gesetze!
In diesen Zeiten, in denen rassistische Gesetze auch noch den letzten Rest des Asylrechts immer weiter einschränken ist es wichtiger denn je, offen Solidarität mit geflüchteten Menschen zu zeigen. Im letzten Jahr gab es viele Proteste von Geflüchteten im Ruhrgebiet und in Deutschland. Unsere Solidarität muss praktisch sein! Deshalb ein Aufruf an euch alle: Support your local Refugees! Unterstützt den Kampf der Geflüchteten für ein menschenwürdiges Leben!
Vielen Dank.
Bildquelle: facebook.com/antifaessen
Geflüchtete protestieren mit Umzugskartons auf Düsseldorfer Kö
Rund 300 Geflüchtete und Unterstützer*innen haben am Samstag, den 19. November in Düsseldorf gegen drohende Zwangsumzüge und Vertreibungen aus NRW protestiert. Mit Trommeln, Transparenten, und bemalten Umzugskartons zogen sie vom Platz der Deutschen Einheit über die Königsallee bis zum Düsseldorfer Landtag. In Reden, Rufen und mit kreativen Aktionen forderten sie die Landesregierung auf, von der geplanten Vertreibungspolitik Abstand zu nehmen.
Anlass für den lautstarken Protest in Düsseldorf: Die rot-grüne Landesregierung hat erklärt, dass sie die im umstrittenen „Integrationsgesetz“ vorgesehene Wohnsitzauflage rigoroser umsetzten will als alle anderen Bundesländer. Demnach soll die Auflage für anerkannte Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen rückwirkend durchgesetzt werden. Tausenden von Menschen droht eine Vertreibung, obwohl sie nach Beendigung ihres Asylverfahrens in Übereinstimmung mit allen Gesetzen nach NRW gezogen sind. Darüber hinaus will die Landesregierung mit der geplanten Verordnung verhindern, dass Geflüchtete innerhalb von Nordrhein-Westfalen umziehen können.
Auf der Demonstration machten die Betroffenen darauf aufmerksam, dass sie unter großen Mühen und Ausgaben begonnen haben, sich hier ein neues Leben aufzubauen. Sie haben Wohnungen gefunden und Freundschaften geschlossen. Bei einer Vertreibung droht ihnen neben dem Verlust ihres sozialen Umfeldes auch die Rückkehr in eine Massenunterkunft. Deshalb forderten sie eine Umverteilung finanzieller Mittel zwischen den Kommunen und Bundesländern statt der Verschiebung der Menschen aus angeblich finanziellen Gründen.
„Wenn die Menschen umziehen müssen, verlieren sie alles, was sie bisher geleistet haben“, sagte Nabhan Nagm von der Initiative Refugee Strike Bochum auf der Demonstration. „Dieses Gesetz ist eine Verletzung der Menschenrechte und eine unnötige Einschränkung persönlicher Freiheit!“ Andere Redebeiträge wurden noch gründsätzlicher. „Wie können die Regierungen denn bitte glauben, dass man Menschen in eine Gesellschaft integriert, indem man sie strukturell davon ausschließt?“, fragte Christian Brandt von der Initiative Refugee Support an der Universität Duisburg-Essen.
Bereits im Vorfeld der Demonstration sah sich die rot-grüne Landesregierung mit scharfer Kritik konfrontiert. Mehr als 250 nordrhein-westfälische Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen der Flüchtlingshilfe hatten in einem offenen Brief gegen die Pläne der Landesregierung protestiert und gefordert, auf eine rückwirkende Umsetzung der Wohnsitzauflage und auf die weitere Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb von NRW zu verzichten.
Härter als die CSU: Protest gegen integrationsfeindliche Politik der NRW-Landesregierung
Presseinformation, 17.11.2016
+++ Mehr als 250 nordrhein-westfälische Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen der Flüchtlingshilfe protestieren mit einem Offenen Brief gegen Vertreibung und Wohnsitzzwang in NRW +++ Demonstration am Samstag, den 19. November in Düsseldorf +++
Als einzige Landesregierung will das rot-grüne Kabinett um NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die umstrittene Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge rückwirkend umsetzen. Tausenden von Menschen droht eine Vertreibung aus Nordrhein-Westfalen, obwohl sie in Übereinstimmung mit allen Gesetzen nach NRW gezogen sind. In einem offenen Brief zeigen sich jetzt mehr als 250 Organisationen, Vereine und Einzelpersonen „schockiert und empört über den Umgang der Landesregierung mit dem Integrationsgesetz und der darin verankerten Wohnsitzauflage“. Sie fordern die Verantwortlichen auf, den „eingeschlagenen integrationsfeindlichen Kurs zu ändern“.
Hintergrund ist die Ankündigung der NRW-Landesregierung, bis zum 1. Dezember eine Verordnung zu erlassen, mit der das umstrittene „Integrationsgesetz“ rigoroser umgesetzt werden soll als in allen anderen Bundesländern: Demnach wollen SPD und Grüne in NRW anerkannte Flüchtlinge auch dann vertreiben, wenn sie vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 6. August nach Nordrhein-Westfalen gezogen sind – es sei denn, sie können bestimmte Härtefälle geltend machen. Wenn nicht, sollen sie zurück in das Bundesland geschickt werden, in dem ihr Asylantrag bearbeitet wurde. Darüber hinaus will die Landesregierung mit der geplanten Verordnung verhindern, dass Geflüchtete innerhalb von Nordrhein-Westfalen umziehen können.
Unterzeichnet ist der Protestbrief unter anderem von lokalen Organisationen der Flüchtlingshilfe, sozialen und kirchlichen Einrichtungen sowie von selbstorganisierten Refugee-Gruppen. Gemeinsam fordern sie von der rot-grünen Landesregierung, dass sich NRW der Absprache aller anderen Bundesländer anschließt und die Wohnsitzauflage nicht rückwirkend anwendet. Außerdem dürfe die Freizügigkeit nicht auch noch innerhalb von Nordrhein-Westfalen weiter eingeschränkt werden.
„Die Schutzsuchenden brauchen endlich einen sicheren Hafen, kein schwankendes Schiff“, sagt Hedwig Alpert von der Initiative Treffpunkt Asyl, eine der vielen Unterzeichner*innen des Offenen Briefs. Sie betreut ehrenamtlich Flüchtlingsfamilien in Bochum. „Die Wohnsitzauflage tritt die Menschenwürde mit Füßen“, so Alpert weiter.
Bereits jetzt habe das Gesetz großen Schaden angerichtet, ergänzt Christian Brandt von der Initiative Refugee Support an der Universität Duisburg-Essen. „Es gibt hier in Duisburg Familien, die monatelang in leeren Wohnungen auf bloßen Matratzen hausen mussten, weil ihnen das Jobcenter rechtswidrig die Zahlungen verwehrt hat.“ Für ihn ist das Ausmaß der behördlichen Empathielosigkeit unvorstellbar. „Ein Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern wurde bereits gezwungen, aus Duisburg nach Bayern zurückkehren. Jetzt müssen die vier wieder in einer Massenunterkunft leben und haben alles verloren, was sie sich hier aufgebaut haben.“
Unter dem Motto „Wir wollen hier bleiben“ rufen aktive Geflüchtete zu einer Demonstration am Samstag, den 19. November, durch die Landeshauptstadt Düsseldorf auf. In dem Aufruf heißt es: „Wir sollen ins Ungewisse geschickt werden. Alle anderen Bundesländer haben sich dagegen entschieden, diese Wohnsitzauflage rückwirkend umzusetzen, nur NRW will unsere Freiheit einschränken! Außerdem will das Land zukünftig sogar innerhalb von NRW vorschreiben, wo Menschen für drei Jahre wohnen müssen – eine weitere Verschärfung der Wohnsitzauflage. Das Gesetz soll unsere Integration erleichtern – jetzt gerade verhindert es unsere Integration, weil wir keine sichere Zukunftsperspektive haben!“
Weitere Informationen:
- Die Demonstration „Wir wollen hier bleiben!“ beginnt am Samstag, den 19. November 2016 um 15 Uhr am Platz der Deutschen Einheit in Düsseldorf. Hier klicken für mehr Informationen zur Demonstration gegen die Wohnsitzauflage.
- Den Offenen Brief an die Landesregierung inkl. allen Unterzeichner*innen können Sie hier herunterladen: Offener Brief gegen die Wohnsitzauflage – Unterzeichnerliste
Aufruf zur Demonstration gegen die Wohnsitzauflage
Aufruf zur Demonstration am 19.11. in Düsseldorf
WIR WOLLEN HIER BLEIBEN!
Die Wohnsitzauflage ist gegen die Menschenrechte!
Im Sommer 2016 beschloss die Bundesregierung das neue Integrationsgesetz. Zentraler Punkt dieses Gesetzes ist die Wohnsitzauflage. Diese Wohnsitzauflage zwingt uns anerkannte Flüchtlinge in dem Bundesland zu bleiben, in dem wir unseren Asylantrag gestellt haben. Das Problem dabei ist, dass das Gesetz im August 2016 in Kraft getreten ist, aber rückwirkend bis zum 01.01.2016 angewendet werden soll. Wir sind nach NRW gezogen, als es dieses Gesetz noch nicht gab. Nun sollen wir NRW wieder verlassen – die Jobcenter haben uns unrechtmäßig seit Monaten kein Geld für unsere Lebenskosten gezahlt.
Wir haben hier eine Wohnung gefunden, wir haben uns eingelebt, einen Platz in der Schule für unsere Kinder gefunden, einen Sprachkurs angefangen, unsere
Familien nach Jahren der Trennung wieder zusammengeführt, begonnen uns in der neuen Nachbarschaft einzuleben und neue Freunde kennengelernt.
All das soll uns jetzt wieder genommen werden! Das Gesetz droht unsere Familien wieder auseinanderzureißen und zwingt viele Menschen, in jene Städte zurück zu gehen, die wir auch wegen rassistischer Übergriffe und gesellschaftlicher Ausgrenzung verlassen haben.
Nicht nur die Rückwirkung hat unser Vertrauen verletzt – wir wurden monatelang ohne richtige Information, Schweigen und mit falschen Versprechen in der Schwebe gehalten. Es ist immer noch völlig unklar, ob in den Bundesländern, in die wir zurückkehren sollen, nochmal ein Integrationskurs übernommen wird und wo wir dort leben müssten. Wir sollen ins Ungewisse geschickt werden.
Alle anderen Bundesländer haben sich dagegen entschieden, diese Wohnsitzauflage rückwirkend umzusetzen, nur NRW will unsere Freiheit einschränken! Außerdem will das Land zukünftig sogar innerhalb von NRW vorschreiben, wo Menschen für drei Jahre wohnen müssen – eine weitere Verschärfung der Wohnsitzauflage. Das Gesetz soll unsere Integration erleichtern – jetzt gerade verhindert es unsere Integration, weil wir keine sichere Zukunftsperspektive haben!
Wir fordern:
Kein Rückschritt durch das Integrationsgesetz!
- kein Wohnsitzzwang! (nicht im Bund, nicht in NRW, nicht rückwirkend!)
- Geld verteilen, nicht Menschen!
- Niemand darf ohne uns entscheiden, wie wir uns „integrieren“ sollen!
- Wir wollen Mitspracherecht!
Aus diesem Grund werden wir am 19.11.2016 um 15 Uhr am „Platz der deutschen Einheit“ in Düsseldorf gegen die Wohnsitzauflage demonstrieren. Seid solidarisch – schließt euch uns an!
Die Europäischen Menschenrechte garantieren jedem Menschen, sich innerhalb eines Landes frei zu bewegen und den Ort an dem man leben möchte frei zu wählen.
Afghanistan ist kein sicheres Land!
Nächste Demonstration: Samstag, 26.11.2016, 13-16 Uhr, Düsseldorf – DGB-Haus (Friedrich-Ebert-Str. 34 / Nähe Hauptausgang Hbf)
Wir unterstützen den Aufruf von Nedaje Afghan نداى افغان – Afghanischer Aufschrei – Afghan Outcry:
Wir sind Menschen und wir haben das Recht zu leben!
Europa will 80.000 Afghan_innen zurück in den Krieg schicken! 40.000 allein aus Deutschland!
Wir und unsere im Krieg getöteten Hinterbliebenen wissen, dass wir in Afghanistan keine sicheren Gegenden antreffen werden. Es herrscht dort weiterhin Krieg und es gibt keine Infrastruktur, welche ein ziviles Leben ermöglicht! Die Taliban, das afghanische Militär und diverse Warlords bieten uns keine Sicherheit!
Bericht zur Kundgebung gegen Abschiebungen nach Afghanistan am 22.10.2016 in Düsseldorf
Der Treffpunkt Asyl erklärt sich solidarisch mit den Protesten der geflüchteten Menschen aus Afghanistan, die um ihre Sicherheit und ihre Zukunft bangen. Im Zuge eines erneuten „Entwicklungshilfe“-Abkommens der EU mit der afghanischen Regierung, das am 04. und 05.10 in Brüssel beschlossen wurde, sollen etwa 80.000 afghanische Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben werden, davon sollen 40.000 Personen allein aus Deutschland stammen.
Am Samstag, den 22.10. sind gegen dieses Abkommen und die geplanten Abschiebungen in ganz Deutschland Menschen aus Afghanistan und Unterstützer*innen auf die Straße gegangen, unter anderem in Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg. Der Treffpunkt Asyl beteiligte sich an der Kundgebung in Düsseldorf und zeigte seine Solidarität mit den Geflüchteten, deren Aufenthalt hier in Deutschland bedroht ist. Etwa 300 Menschen kamen mit Schildern und Sprechchören zu der Kundgebung am Grabbeplatz, um die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass Afghanistan eben kein sicheres Land ist, wie die Bundesregierung so gern behauptet. „Stoppt Abschiebungen nach Afghanistan“ riefen die Beteiligten immer wieder, „Abschiebung ist Mord“.
Frauenrechte in Afghanistan
An der Demonstration nahmen auch viele Frauen und Mädchen teil, die insbesondere auf die schlechte Situation von Frauen in Afghanistan aufmerksam machen wollten. Ein etwa 12-jähriges Mädchen sprach auf der Kundgebung mit einer der Aktivistinnen des Treffpunkt Asyl und sagte „Was glaubt ihr denn, warum wir hierher gekommen sind? Wenn die Situation in Afghanistan für uns gut gewesen wäre, wären wir sicher nicht gekommen. Besonders Frauen haben dort keine Rechte. Wir können nicht zur Schule gehen und die Taliban sind überall. Ich habe dort gar nichts. Aber die Regierung in Deutschland interessiert sich nicht für uns. Was sollen wir anderes machen? Uns bleibt nur noch, auf die Straße zu gehen. Ich hoffe, das bringt etwas.“
Die Verfolgung der Volksgruppe Hazara
Unter den Protestierenden gab es auch viele Angehörige der Volksgruppe der Hazara, die von Krieg und Terror in Afghanistan besonders betroffen sind, aber auch in den Nachbarländern wie dem Iran und Pakistan massive Diskriminierung und persönliche Bedrohung erfahren. Von islamistischen Gruppen wie den Taliban werden sie verfolgt, während ihnen auch darüber hinaus soziale, politische und ökonomische Rechte und Entwicklungsmöglichkeiten verwehrt bleiben. Die afghanische Regierung hat in der Vergangenheit jedoch nichts dafür getan, die lebensbedrohliche Situation für Hazara zu ändern. Tausende Hazara wurden in den vergangenen Jahren in Afghanistan von Taliban und anderen Gruppierungen ermordet.
Darüber hinaus gab es viele junge Menschen, die an der Kundgebung teilgenommen haben. Gerade junge Männer sind in Afghanistan bisher auch Opfer von Zwangsrekrutierungen unterschiedlicher staatlicher und nichtstaatlicher Gruppierungen geworden. Angehörige der Hazara werden dabei zwischen den Fronten der regionalen Konflikte für die Interessen verschiedener Regime missbraucht und als Zwangsrekruten in den Krieg geschickt. Insbesondere die Iranische Regierung rekrutiert Hazara für den Kampf auf Seiten des Assad-Regimes, wie in der Länderdatenbank Ecoi.net dokumentiert ist. Männer, die Opfer dieser Praktiken geworden sind und nach Deutschland fliehen konnten, leiden häufig unter den Folgen solch traumatischer Erfahrungen. Sich in Deutschland aufgrund der neuen Abschiebungsandrohungen nicht in Sicherheit wissen zu können,kann dabei fatale Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen haben.
Afghan*innen besonders von repressivem Asylsystem betroffen
Des weiteren erfahren geflüchtete Menschen aus Afghanistan gegenüber Menschen anderer Nationalität auch durch Regelungen des Asylsystems massive Diskriminierung. Sie bekommen nicht den Zugang zu Deutschkursen und nicht das Recht, sich eigene Wohnungen zu suchen, was dazu führt,dass viele Menschen aus Afghanistan weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen in Flüchtlingslagern in Ungewissheit über ihrer Zukunft ausharren müssen. Wir vermuten auch auf Basis unserer Gespräche mit Geflüchteten aus Afghanistan, das infolge dieses menschenverachtenden Umgangs mit AfghanInnen und der vorherrschenden Ignoranz für deren Schicksale viele unter psychischen Problemen leiden, ohne Zugang zu einer entsprechenden gesundheitlichen Versorgung.
Die deutsche Regierung sieht all das neben den andauernden Anschlägen auf die Zivilbevölkerung in vielen Städten und Regionen Afghanistans jedoch nicht als gravierend genug an, um ihrer Verantwortung für den Schutz dieser Menschen nachzukommen. Sie ist immer noch der Überzeugung, Menschen könnten in andere Regionen fliehen, wenn sie in Afghanistan Probleme bekämen, obwohl die Macht von Gruppen wie den Taliban den Einfluss des Staates übertrifft und auch über Ländergrenzen hinwegreicht. Das Thema des ausbleibenden Schutzes der Afghanischen Zivilbevölkerung durch den Staat betrachtet die deutsche Regierung mit der Zusage von Entwicklungshilfegeldern aber offenbar als erledigt. Das Afghanistan inzwischen auf einige Jahrzehnte gescheiterter Einmischung anderer Staaten zurückblickt und kritisch gefragt werden muss, welche Veränderungen kurzfristig überhaupt erwartet werden können, bevor man Menschen in dieses Land zurückschickt, bleibt dabei in der Diskussion außen vor.
Keine Abschiebung nach Afghanistan!
Wir fordern, dass diese Menschen hierbleiben können und zumindest die gleichen Rechte und Möglichkeiten bekommen, sich ein neues Leben aufzubauen, wie andere Flüchtlingsgruppen auch, die nach dem fragwürdigen Maßstab von Menschen mit „guter Bleibeperspektive“ beurteilt werden. Wir verurteilen dabei generell die unangemessene Aufteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge, die Menschen aus Afghanistan benachteiligt. Wir fordern die deutsche Regierung dazu auf, die menschenverachtenden Abschiebeabkommen mit den Regierungen anderer Länder wie Afghanistan zu unterlassen und sich lieber um den Schutz derer zukümmern, die hierher nicht zum Spaß geflohen sind. Dazu bedarf es,die Schutzwürdigkeit der afghanischen Geflüchteten in Deutschland endlich anzuerkennen und die in der Vergangenheit oft fatale Politik der Einmischung in anderen Ländern kritisch zu hinterfragen.
Der Treffpunkt Asyl wird die Proteste zu diesem Thema weiterhin begleiten und unterstützen und lädt interessierte Menschen ein, sich mit diesem leider marginalisiertem Thema ebenfalls auseinanderzusetzen. Es darf nicht vergessen werden, dass Abschiebungen nach Afghanistan in der jetzigen Situation mitunter tödlich enden können. Wir können und sollten dies nicht verantworten!
Zu diesem Thema siehe auch:
Treffpunkt Asyl lehnt Härtefallanträge als Umgang mit dem „Integrationsgesetz“ ab – Alle sollen bleiben dürfen!
Die Stadt Bochum hat am Donnerstag, den 20. Oktober, in einer Pressemitteilung erklärt: Betroffene des „Integrationsgesetzes“ müssen einen Härtefallantrag stellen, um in Bochum bleiben zu können. Das soll ausdrücklich auch für anerkannte Flüchtlinge gelten, die vor Inkrafttreten des umstrittenen Integrationsgesetzes nach Bochum gezogen sind. Damit will sich die Stadt Bochum über einen Ratsbeschluss hinwegsetzen, in dem der Bochumer Rat eine rückwirkende Anwendung der Wohnsitzauflage abgelehnt hat. Die Initiative Treffpunkt Asyl kritisiert diese Vorgehensweise und fordert die Verantwortlichen auf, zu ihrem Wort zu stehen.
Im August und September protestierten in Bochum Geflüchtete unter anderem mit einem Protestcamp vor dem Rathaus, um sich gegen die Wohnsitzauflage und das Integrationsgesetz zu wehren. Sie protestierten für ihr Recht, in Bochum bleiben zu dürfen. Viele von ihnen waren seit Jahresanfang vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 06.08.2016 nach Bochum gezogen. Obwohl sie in Übereinstimmung mit allen geltenden Regelungen und Gesetzen umgezogen sind, waren sie plötzlich von einer erneuten Vertreibung bedroht. Die Gründe für ihren Umzug sind vielfältig: Weil hier Familienangehörige und Freunde leben, weil sie hier bessere Berufs- und Ausbildungschancen haben, weil sie in anderen Bundesländern rassistische Übergriffe erlebten.
Was ist ein Ratsbeschluss in Bochum wert?
Nachdem sich außerdem 20 Bochumer Organisationen in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch gewandt hatten, verabschiedete der Rat der Stadt Bochum am 15. September einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel „Wohnsitzauflage nicht rückwirkend anwenden“. Teil des Beschlusses war, dass der Rat der Stadt Bochum eine „rückwirkende Wohnsitzauflage“ ablehnt.
Die nun veröffentliche Mitteilung der Stadt widerspricht dem Ratsbeschluss. Denn nur, wenn die Wohnsitzauflage rückwirkend angewendet wird, gibt es für die Betroffenen ja überhaupt erst einen Grund, um mit Hilfe von Härtefallanträgen gegen die sonst drohende Vertreibung vorzugehen. Entgegen der politischen Zusage soll die Entscheidung jetzt also auch für die Menschen individualisiert werden, die vor Inkrafttreten des Gesetzes nach Bochum gekommen sind.
„Wir vertrauen in die Stadt, dass sie ihre Zusagen einhält“, hatten die Protestierenden in ihrer Stellungnahme zum Abbau des Protestcamps im September geschrieben. Dieses Vertrauen dürfte die Stadt mit ihrem Handeln jetzt erneut zerstören.
Viele offene Fragen
„Wir fragen uns, warum die Koalition aus SPD und Grünen diesen Dringlichkeitsantrag überhaupt eingebracht hat, wenn nun doch alle Betroffenen Härtefallanträge stellen sollen“, sagt Hans Christoph Hudde von der Initiative Treffpunkt Asyl. „Sollten durch den Antrag lediglich weitere Proteste von Geflüchteten in Bochum verhindert werden? Kommt der neue Vorstoß jetzt allein aus der Stadtverwaltung, oder geschieht das auch mit Rückendeckung von SPD und Grünen? Egal wie, die Verantwortlichen müssen zu ihrem Wort stehen und dürfen die Wohnsitzauflage nicht rückwirkend anwenden. Hier müssen die Stadt und die sie tragenden Fraktionen einmal Rückgrad zeigen und dürfen auch den Konflikt mit Bund und Land nicht scheuen.“
Freizügigkeit ist ein hohes Gut des Grundgesetzes, auch der Europäische Gerichtshof und die Genfer Flüchtlingskonvention postulieren dieses Recht für alle Geflüchteten. Die Initiative Treffpunkt Asyl fordert insgesamt, dass alle Geflüchteten, die sich in Bochum ein neues Zuhause aufbauen, nicht erneut vertrieben werden. Dazu zählt, dass ihnen existenzsichernde Leistungen nicht verwehrt werden. Auch wenden wir uns gegen jegliche Zuzugssperre. Das Land und die Bundesregierung fordern wir auf, das sogenannte „Integrationsgesetz“ grundlegend zu überdenken und unter Einbeziehung der Expertise von Betroffenen, Verbänden und Ehrenamtlichen dem Integrationswunsch entsprechend zugestalten.
Auf die Implementierung der Wohnsitzauflage sollte dabei generell verzichtet werden. Wir sehen nicht, dass die Wohnsitzauflage in irgendeiner Form zur Verbesserung der Integration geflüchteter Menschen beitragen könnte. Das neue Gesetz, das ja mit dem Ziel geschaffen wurde, die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund zu verbessern, erfüllt in dieser Form nicht seinen Zweck, da es bereits erfolgte „Integrationsleistungen“ zunichte macht. Die Wohnsitzauflage ist aus unserer Sicht vielmehr kontraproduktiv für ein friedliches, selbstbestimmtes und von sozialer Unterstützung geprägtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Herkunft.